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DIE
LEGENDE DES SANKT MARTIN Sulpicius Severus, Vita Martini Der Auferstehungszyklus wird von der Legende des heiligen Martin abrupt unterbrochen. In der unteren Szene schneidet Martin, von rechts kommend, seinen beige und grünen Mantel entzwei, um diesen mit einem entblößten Bettler zu teilen. Der Bettler trägt eine Wasserflasche und steht vor dem Stadttor. In der oberen Szene liegt Martin träumend und erblickt in einer Vision Christus, mit dem beige-grünen Mantel bekleidet. Christus thront in einer Aureole. Diese Szene, gleichfalls in zwei Begebenheiten unterteilt, findet sich in einem Manuskript aus dem 11. Jahrhundert in Tours (Tours, Bilbliothèque Municipale, MS 1018). Hier hat die Bettlerszene keinen Hintergrund, und in der Vision steht Christus hinter dem Bett und hält den Mantel in der Hand. In der vita Martini, 12. Jahrhundert in Trier (Stadtbibliothek, MS1378), steht der Bettler vor dem Stadttor und über ihm ist Christus in einer Aureole. Es ist aber der Künstler des Albani-Psalters, der dem Text am genauesten folgt, indem sein Christus den Mantel um hat: „Christus ea memorat se bene veste tegi“ (AP, 95, pl. 130). Pächt konnte keinerlei Erklärung dafür finden, warum sich die Martinsszene in der christologischen Reihe befindet (AP, 50). Diese Einschiebung ist ein abrupter Übergang und zwingt den Leser dazu, über ihre Beziehung zum Rest der Bilderfolge nachzudenken. Es ist möglich, daß die Martinsszene als eine Art Ersatz für die Emmausszene dient, die aus dieser Stelle herausgenommen worden ist und erst auf Seite 69-71 erscheint. Martin teilt seinen Mantel mit dem Bettler, in Emmaus teilen die Jünger ihr Mahl mit einem Fremden. Beide Episoden von der Nächste Seitenliebe gegenüber einem Fremden illustrieren die Weisung, die Christus im Matthäusevangelium gibt: „Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. … Was ihr getan habt unter diesen, meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (25:35-40). Die Verteilung von Kleidern an die Armen wird im 111. Psalm abgebildet, S 302. Der angedeutete Hinweis zurück auf Matthäus 25 an dieser Stelle dient dazu, alle irdischen Szenen der Leidensgeschichte Christi abzurunden und abzuschließen. Matthäus 26 schließt sich dann mit der Salbung in Bethanien im Haus des Simon an und führt direkt auf das Abendmahl usw. zu. Auf diese Weise wird eine sich fortsetzende Reihe von Meditationen der Passion Christi gebildet, wie sie in den Evangelien beschrieben ist. Aber die Worte des Christus von der Nächste Seitenliebe, die er im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht äußert, zeigen vorwärts auf die folgenden überirdischen Geschehnisse, die in der Apostelgeschichte beschrieben werden. Haney (1997, 152-63) weist darauf hin, daß die Martinsszene der Abbildung des ungläubigen Thomas gegenübersteht, und stellt eine Verbindung in der Farbwahl, der Komposition und der Theologie her: Martin repräsentiert die Nächste Seitenliebe und Thomas den Glauben. Das Martinsbild ist auch zwischen den wenigen Bildern des Psalters eingefügt, auf denen die versammelte Gemeinschaft der Apostel zu sehen ist. Auf diese Weise wird Martin, selbst ein bedeutender Mönch, den Aposteln zugeordnet. Die Ermahnung an Mönche wie die Apostel zu leben war ein wichtiger Teil der Klosterreformen des 11.und 12. Jahrhunderts (Haney, 1997, 160-62). Der heilige Martin ein Soldat, der Mönch und später Bischof wurde, steht in keiner offensichtlichen Beziehung zu Christina, eher kann sein Leben als ein Vorbild für Geoffrey angesehen werden. Geoffrey trat auch der Kirche bei nach einer früheren Laufbahn als Lehrer und er wurde zu einem wichtigen Verwalter der Kirche. St Anselm, Erzbsichof von Canterbury (1093-1109) verglich sich mit St. Martin, in dem sie beide von ihren Mönchen weggenommen wurden und dann die Verantwortung über Priester, Mönche, Laien und Frauen trugen. (Haney, 1997, 155). Das trifft in gleichem Maße auf Geoffry zu. Mäntel und Bekleidung überhaupt spielten eine wichtige Rolle in Geoffreys Leben. Für die geplante Aufführung eines geitlsichen Spieles über die heile Katharina leiht er sich einige Pluvialen der Abtei St Albans aus. Als diese versehentlich verbrannten, bot er sich selbst als Ersatz und zwar buchstäblich als Brandopfer „in holocaustam“ der Abtei an. Aus diesem Grund schenkte er der Abtei, als er Abt wurde, „mit Eifer“ kostbare Gewänder, einschließlich sieben mit Gold und Edelsteinen beschmückten Pluvialen und fünf goldene Casulas (GA, 73, 93). Wie St. Martin übergab er so diese Pluvialen dem Christus. Auch seine eigenen Kleider wurden den Armen übergeben und zwar durch das Eingreifen des Christus: Christina hatte ihm besonders schöne Unterbekeidung für seinen persönlichen Komfort auf einer anstrengenden Reise fertiggestellt. Als diese Reise abgesagt wurde, erhielt Christina in einer Vision die Weisung, diese Kleidungsstücke den Armen zu geben, denn „Christus wird ihm auf der Reise einen begnadeteren Trost spenden“ (Talbot, 1998, 160-63). Abgesehen von den theologischen und persönlichen Erklärungen über die so überraschende und ungewöhnliche Erscheinung des heiligen Martins an dieser Stelle läßt sich noch eine eher prosaische und praktische Vermutung anstellen. Nach der Szene mit Maria Magdalena und den Jüngern auf Seite 51 (Rekto) gab es eine Vielzahl von Szenen, die nach der Auferstehung kommen. Das Eadwine-Psalter Blatt (London, Viktoria und Albert Museum, MS 661v, Henderson 1992, pl. 14) enthält acht Episoden in vierzehn Szenen von hier bis Pfingsten. Aber in der Art der Buchbindung im Albani-Psalter befinden sich nur noch fünf leere Seiten. Die letze Seite, S. 56, mußte David gewidmet sein, die Himmelfahrt und die Ausgießung des Heiligen Geistes mußten auf den Doppelseiten 54 –55 zusammen erscheinen. Übrig bleiben nur noch die beiden Seiten 52-53. Emmaus, das aus persönlichen Gründen unbedingt erscheinen mußte, sollte in drei Szenen dargestellt werden und wurde deshalb von der richtigen chronologischen Anordnung nach der Maria Magdalena Abbildung in die Alexis Bögen verschoben (S. 69-71). Die beiden Einzelszenen – Christi Erscheinen unter den Jüngern und der ungläubige Thomas – werden sparsam in eine Szene verschmolzen (S. 52). Danach bleibt nur noch eine Seite für entweder eine andere Auferstehungsszene oder für Martin. Das Martinsbild paßt gut, denn die zwei wichtigen Szenen aus seinem Leben konnten auf einer unterteilten Seite dargestellt werden, eine Einsparungsmethode, die sonst nicht in diesem Christuszyklus verwendet wurde. Um anzuzeigen, daß das Martin-Blatt am Anfang der 4. Lage kam, wurde ein winziges i oben auf dem Blatt angebracht (im Rand über dem linken Engel. S. 53). Das könnte entweder eine gewöhnliche Bezifferung sein, oder für initium Anfang stehen. Anzumerken ist, daß es keine andere Bezifferung der Bögen in der Reihe der Miniaturen gibt, vielleicht weil alle anderen Bögen in der gewöhnlichen Reihenfolge angeordnet sind. |
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