Text only

Seite 65 Übersetzung & Transkription

Vorige Seite - Kommentar - Nächste Seite

Image © Hildesheim, St Godehard

Übersetzung

die Mutter auf den Lärm herbei,
Sie stürzt voll Schreck herzu, wie sinnberaubt,
Schlägt ihre Brüste und zerrauft das Haupt;
Und sie sinkt um, als oh sie leblos sei.

86 Wer sie so große Trübsal leiden sah,
Die Brüste schlagen, wie ihr Weh geschah,
Das Haar zerzaust, das Angesicht entstellt,
Wie um den Hals dem toten Sohn sie fällt
Blieb nimmer hart und stand voll Thränen da.

87 Sie rauft das Haar und macht sich große Pein,
Erfüllt mit großen Schmerzen ihr Gebein:
„0 Sohn, du hast von uns gewendet dich,
Und ich voll Schmerz, wie war verblendet ich!
Nicht kannt‘ ich dich, als warst du niemals mein.“

88 Ihr Auge weint, in lautes Weh bricht sie;
Sie ruft: „0 hätt ich dich geboren nie!
Mit deiner Mutter hattest du kein Mitleid?
Zu sterben war ich gern für dich bereit;
Du aber sprachest zum Erbarmen: Flieh!

89 Ich Unglückamutter, welcher Schmerz war mir!
Tot sah ich den, den ich getragen hier:
Mein großes Harrn zu großem Kummer kam;
Wes. thu ich, da das Unglück nahm?
Ein Wunder ist‘s, daß ich‘s noch trage schier.“

90 Alexis, Sohn, wie war dein Sinn s hart,
Also du verlassen unsre Gegenwart!
Hättst du zu mir gesprochen nur einmal,
Du hättet mir Trost gebracht in meiner Qual;
Der Mutter, teurer Sohn, wär viel erspart.

91 Alexis, Sohn, ach um dein zart Gebein!
Zu welchem Schmerz ging deine Jugend ein!
Du flohst vor mir, ach, deren Leib dich trug;
Wie ich voll Schmerz! Gott weiß es, ach genug.
Bei Mann und Weib, nie werd ich fröhlich sein.

92 0 Sohn, was habe ich nach dir verlangt!
Als ich dich trug, wie habe ich gebangt!
Als ich dich sah, da war ich voller Freud‘;
Nun bist du tot, des hab ich Herzeleid;
0 käm der Tod, wie hätt ich Gott gedankt!

98 Ihr Herren Roms, stimmt an den Klageton,
Helft mir beklagen ihn, der uns entflohn.
Viel Kummer hat betroffen mich und Schmerz,
Nicht sättigt sich an Klagen je mein Herz.
Zuviel! Nicht Tochter habe ich noch Sohn.“

94 Während der Eltern großer Traurigkeit
Erscheint das Mädchen, das er einst gefreit.
„Herr, große Schmerzen,“ spricht sie, „hielt ich aus,
Erwartend dich in deines Vaters Haus,
Wo du mich ließest voller Herzeleid.

95 Alexis, lange sehnt ich mich nach dir,
Und viele Thränen hat‘s gekostet mir;
Nach dir geschauet habe ich so oft
Und daß du wieder kämst, hab ich gehofft;
Nicht that aus Trägheit ich‘s noch Ungebühr.

96 0 teurer Freund, um deine Jugend schön,
Die bald nun soll die Erde decken gehn;
0 edler Mensch, du hast uns Schmerz gebracht;
Gutes zu hören hatte ich gedacht;
Nun muß ich, ach, so Schlimm‘ und Hartes sehn.

97 0 schöner Mund, o schönes Angesicht.,
Wiedererkenn ich deine Schönheit nicht
Mehr liebt ich euch als jede Kreatur,
Nun aber hab ich nichts als Schmerzen nur,
Wie gern entbehrte ich des Lebens Licht.

Transkription

medre · la vint curante cum femme forsenede · batant ses palmes criant/ eschevelede · vit mort sum filz a terre chet pasmede · Chi dunt li vit vit sun/ grant dol demener · sum piz debatre e sun cors dejeter · ses crins deru[m]pre/ e sen vis maiseler · sun mort amfant detraire & acoler · mult fust il/ dur ki n'estoust plurer · Trait ses chevels e debat sa peitrine · a grant/ duel met la sue carn medisme · e filz dist ele cum m'ous enhadithe · / e ío dolente cum par sui avoglie · nel cunuisseie plus que unches nel/ vedisse · Plurent si oil e si ietet granz criz · sempres regret mar te por/tai bels filz · e de ta medra quer aveies mercit · pur quem vedeies/ desirrer a murir · có est grant merveile que pietet ne t'en prist/ A lasse mezre cum oi fort aventure · or vei io morte tute ma por/teure · ma lunga atente a grant duel est venude · pur quei portai/ dolente malfeude · có est granz merveile que li mens quors tant/ duret · Filz alexis mult ous dur curage · cum avilas tut tun/ gentil linage · set a mei sole vels une feiz parlasses · ta lasse medre/ si la confortasses · ki si'st dolente · cher fiz bor i alasses · Filz alexis de/ la tue carn tendra · a quel dolur deduit as ta iuventa · pur quem/ fuis ia te portai en men ventre · e deus le set que tute sui dolente · / ia mais n'erc lede pur home ne pur femme · Ainz que tei vedisse/ fui mult desirruse · ainz que ned fusses sin fui mult angussuse/ quant jo vid ned sin fui lede e goiuse · or te vei mort tute en sui/ doleruse · có peiset mei que ma fins tant domoret · Seinurs de/ rome pur amur deu mercit · aidiez mei a plaindra le duel de/ mun ami · ne puis tant faire que mes quors s'en sazit · granz est/ li dols ki sor mai est vertiz · n'est merveile n'ai mais filie ne filz · / Entre le dol del pedra e de la medre · vint la pulcele que il out espusede/ sire dist ela cum longa demurere · ai atendude an la maisun tun/ pedra · ou tun [error for tum] laisas dolente & eguarede Sire alexis tanz iurz/ t'ai desirret · e tantes feiz pur tei an luinz guardet · si revenisses/ ta spuse conforter · pur felunie nient ne pur lastet · O kiers amis/ de ta iuvente bela có peiset mai que si purirat terre · e gentils/ hom cu[m] dolente puis estra · ío atendeie de te bones noveles · mais ore/ les vei si dures e si pesmes · O bele buce bel vis bele faiture cum est/ mudede vostra bela figure · plus vos amai que nule creature · si grant/ dolur or m'est aparude · melz me venist amis que morte fusse · /

Übersetzung

die Mutter auf den Lärm herbei,
Sie stürzt voll Schreck herzu, wie sinnberaubt,
Schlägt ihre Brüste und zerrauft das Haupt;
Und sie sinkt um, als oh sie leblos sei.

86 Wer sie so große Trübsal leiden sah,
Die Brüste schlagen, wie ihr Weh geschah,
Das Haar zerzaust, das Angesicht entstellt,
Wie um den Hals dem toten Sohn sie fällt
Blieb nimmer hart und stand voll Thränen da.

87 Sie rauft das Haar und macht sich große Pein,
Erfüllt mit großen Schmerzen ihr Gebein:
„0 Sohn, du hast von uns gewendet dich,
Und ich voll Schmerz, wie war verblendet ich!
Nicht kannt‘ ich dich, als warst du niemals mein.“

88 Ihr Auge weint, in lautes Weh bricht sie;
Sie ruft: „0 hätt ich dich geboren nie!
Mit deiner Mutter hattest du kein Mitleid?
Zu sterben war ich gern für dich bereit;
Du aber sprachest zum Erbarmen: Flieh!

89 Ich Unglückamutter, welcher Schmerz war mir!
Tot sah ich den, den ich getragen hier:
Mein großes Harrn zu großem Kummer kam;
Wes. thu ich, da das Unglück nahm?
Ein Wunder ist‘s, daß ich‘s noch trage schier.“

90 Alexis, Sohn, wie war dein Sinn s hart,
Also du verlassen unsre Gegenwart!
Hättst du zu mir gesprochen nur einmal,
Du hättet mir Trost gebracht in meiner Qual;
Der Mutter, teurer Sohn, wär viel erspart.

91 Alexis, Sohn, ach um dein zart Gebein!
Zu welchem Schmerz ging deine Jugend ein!
Du flohst vor mir, ach, deren Leib dich trug;
Wie ich voll Schmerz! Gott weiß es, ach genug.
Bei Mann und Weib, nie werd ich fröhlich sein.

92 0 Sohn, was habe ich nach dir verlangt!
Als ich dich trug, wie habe ich gebangt!
Als ich dich sah, da war ich voller Freud‘;
Nun bist du tot, des hab ich Herzeleid;
0 käm der Tod, wie hätt ich Gott gedankt!

98 Ihr Herren Roms, stimmt an den Klageton,
Helft mir beklagen ihn, der uns entflohn.
Viel Kummer hat betroffen mich und Schmerz,
Nicht sättigt sich an Klagen je mein Herz.
Zuviel! Nicht Tochter habe ich noch Sohn.“

94 Während der Eltern großer Traurigkeit
Erscheint das Mädchen, das er einst gefreit.
„Herr, große Schmerzen,“ spricht sie, „hielt ich aus,
Erwartend dich in deines Vaters Haus,
Wo du mich ließest voller Herzeleid.

95 Alexis, lange sehnt ich mich nach dir,
Und viele Thränen hat‘s gekostet mir;
Nach dir geschauet habe ich so oft
Und daß du wieder kämst, hab ich gehofft;
Nicht that aus Trägheit ich‘s noch Ungebühr.

96 0 teurer Freund, um deine Jugend schön,
Die bald nun soll die Erde decken gehn;
0 edler Mensch, du hast uns Schmerz gebracht;
Gutes zu hören hatte ich gedacht;
Nun muß ich, ach, so Schlimm‘ und Hartes sehn.

97 0 schöner Mund, o schönes Angesicht.,
Wiedererkenn ich deine Schönheit nicht
Mehr liebt ich euch als jede Kreatur,
Nun aber hab ich nichts als Schmerzen nur,
Wie gern entbehrte ich des Lebens Licht.

 

Gehe zu

Gehe zu

A collaboration between History of Art and Historic Collections
University of Aberdeen - King's College - Aberdeen - AB24 3SW
  University of Aberdeen  
dombibliothek@bistum-hildesheim.de
© 2003